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Semaphor Nr. 86 - Sommer 2025

Art. N: 86
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War früher alles besser?

Diese Frage als Herausgeber einer Zeitschrift zu stellen, die sich schon fast ausschliesslich mit der «guten alten Zeit» befasst, grenzt wohl hart an Blasphemie.

Regelmässig publizieren wir hier schöne Fotografien aus vergangenen Zeiten und schwelgen beim Betrachten in nostalgischen Gedanken, wie wunderbar beschaulich die Welt doch damals war. Ich ertappe mich regelmässig bei dem Gedanken, wie spannend es wohl gewesen wäre, damals dabei gewesen zu sein, oder wie es war, damals zu leben.

Selbstverständlich bin ich als grosser Verehrer alter Maschinen auch nicht immer vor der Früher-war-alles-besser-Mythologie gefeit. Allzu oft geht mir der amerikanische Ausspruch «they don’t make them like they used to» durch den Kopf. Erst letzte Woche war ich mit einem fabrikneuen Mietwagen unterwegs, der mich durch aufdringliche Pling- und Gong-Geräusche, blinkende Anzeigen sowie andere «Assistenzsysteme» in regelmässigen Abständen vom Strassenverkehr ablenkte, nur um mich darauf hinzu­weisen, dass eine potenzielle Gefahr detektiert wurde. Da wünschte ich mir auch mein eigenes «altes» Auto herbei, das mich einfach in Ruhe einem Lastwagen ausweichen lässt, ohne dass mich der Spurhalteassistent wieder in dessen Richtung drängt, weil ich zu nah an die Seitenlinie gefahren bin.

Jedoch hatte ich dank sehr guter Freunde Anfang Jahr die Möglichkeit, nach Indien zu reisen. Dieses wunderbare Land ist voller Kontraste: Einerseits sind da z.B. eine florierende Technologiebranche und ein sehr modern funktionierendes Eisenbahnnetz, andererseits lebt und arbeitet ein grosser Teil der Bevölkerung noch in Zuständen, wie wir sie in Mitteleuropa spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts hinter uns gelassen haben. Die Regierung unternimmt grosse Anstrengungen, diese Umstände zu verbessern, mir bot es allerdings ein lebendiges Bild vom viel gerühmten «früher». Da sieht man noch eindrücklich, wie die Arbeitsbedingungen sind, wenn der Materialpreis höher ist als der Stundenlohn der Arbeiter. In der gewissermassen an Überbevölkerung leidenden Gesellschaft zählt das einzelne Menschenleben wenig – also gestalten sich auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend spärlich. Unfälle mit teils fatalen Folgen stehen dadurch auf der Tagesordnung.

So bin ich ganz froh, in der Schweiz im Hier und Jetzt zu leben, und mich z.B. über die vermeintlich «überrissenen» Vorgaben von Unfallversicherern aufregen zu dürfen. Als Nutzniesser dieser Organisation ist es mir spätestens seit dem Besuch in Indien bewusst, dass viele dieser Regeln buchstäblich mit Blut geschrieben wurden.

So bleibt bei mir die Frage hängen, ob früher wirklich alles besser war oder ob wir uns das nur ersehnen, da das menschliche Gedächtnis tendenziell eher nur gute Erinnerungen behält.

Jedenfalls wünsche ich Ihnen nun viel Freude bei der Lektüre dieses Hefts und beim Schwelgen in der «guten alten Zeit».

Herzlich,

Ihr Urias von Meyenburg

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